Klebstoffe

Klebstoffe werden in allen Bereichen benötigt. Ob in Kindergarten, Büro, Industrie, Handwerk oder Hobby: Klebstoffe sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Sie halten Tapeten an den Wänden, fügen Spanplatten zusammen, machen Teppiche rutschfest und haben schon so manchen zerbrochenen Teller vor dem Mülleimer bewahrt.

Aber Klebstoff ist nicht gleich Klebstoff. So vielfältig wie die Anwendungsbereiche, so riesig sind auch Angebot und Rezepturen. Zum Teil enthalten diese erhebliche Mengen an schädlichen Substanzen, die Gesundheit und Umwelt gefährden können. Als Inhaltsstoffgrundlagen dienen:

Als Füllstoffe können Kreiden, Kalksteinmehl und/oder Tonmineralien zum Einsatz kommen. Diese anorganischen Substanzen dienen der Volumenvergrößerung und sind nach heutigem Wissen weitgehend unproblematisch.Zusätze können in sehr geringen Konzentrationen beigemengt sein und - für auf diese Stoffgruppen allergische Personen - problematisch sein. Die genauen Inhaltsstoffe der jeweiligen Kleber müssen beim Hersteller erfragt werden.

1. Welche Klebstoffarten gibt es?

Zu unterscheiden sind sogenannte physikalisch abbindende Klebstoffe und Reaktionsklebstoffe. Physikalisch abbindende Klebstoffe enthalten organische Chemikalien oder Wasser als Lösemittel. Reaktionsklebstoffe führen die Klebreaktion auf chemische Weise durch und enthalten keine Lösemittel. In den physikalisch abbindenden Produkten sind vor allem die Lösemittel gesundheitlich problematisch, während bei den chemisch abbindenden Produkten deren ätzende und reizende Bestandteile das größte Gefährdungspotential darstellen.

1.1. Physikalisch abbindende Klebstoffe

Als "physikalisch abbindend" werden einkomponentige Kleber, die Lösemittel auf der Basis von organischen Chemikalien (Alkohole, Ester, Ketone oder Aromaten ) oder Wasser enthalten. Klebstoffe auf Wasserbasis werden auch als "lösemittelfrei" bezeichnet, obwohl hier Wasser als Lösemittel dient.

Zu den Produkten dieser Gruppe gehören vor allem Alleskleber (Vielzweckkleber), Papierkleber (Gummierungen) und Klebestifte.

Die den eigentlichen Klebevorgang auslösenden Klebstoffe - im wesentlichen synthetische oder natürliche Harze - sind in Lösemitteln gelöst. Die Lösemittel sorgen dafür, dass diese klebenden Inhaltsstoffe als flüssige oder pastöse Masse verarbeitungsfähig sind. Nach Verdunsten der Lösemittel wird der Klebevorgang ausgelöst. Die Klebstoffe im Kleber sind, verglichen mit dem Hilfsstoff Lösemittel, relativ harmlos. Als Basis für den Klebstoff können Naturmaterialien, z. B. Stärke von Kartoffeln, Weizen und Mais (z. B. Pritt Klebstift) oder Erdölprodukte (Herstellung von gesundheitlich unbedenklichen Kunststoffen, z. B. in Allesklebern) als Bindemittel eingesetzt werden. Damit die natürlichen Produkte nicht von den Leuten regelrecht "weggeschleckt" werden, werden hier häufig Bitterstoffe zugesetzt. Andere Klebestifte bestehen aus Seifenmasse und einem auch als Ersatz für Blutplasma dienenden Kunststoff.

"Lösemittelfreie" Klebstoffe auf Wasserbasis brauchen teilweise längere Trocknungszeiten und müssen konserviert werden. Die Konservierungsstoffe können formaldehydhaltig sein. Bei der Anwendung auf größeren Flächen kann es durch den hohen Wassergehalt bei Papierklebern außerdem zu Wellungen des Papiers kommen.

1.2. Reaktionsklebstoffe

Zu den Reaktionsklebstoffen gehören die sogenannten Sekundenkleber und Zweikomponentenkleber (bestehend aus Harz und Härter). Reaktionsklebstoffe sind überwiegend auf Polyurethan- und Epoxidbasis aufgebaut und lösemittelfrei.

Sekundenklebstoffe sind Einkomponentenprodukte auf der Basis von Cyanacrylaten. Man setzt dabei Methyl-, Ethyl- und Butylester der Cyanacrylsäure unter Zugabe von Weichmachern ein. Cyanacrylklebstoffe härten sofort nach dem Auftragen mit Hilfe der Luftfeuchtigkeit aus. Es ist deshalb bei der Anwendung von Sekundenklebern äußerste Vorsicht geboten: Finger oder Augenlider können so fest miteinander verkleben, dass sie sich nur noch mit Lösemitteln oder vom Arzt wieder trennen lassen!

Zweikomponentenkleber bestehen aus Bindern (Harze) und Härtern, die getrennt aufbewahrt werden. Die Harze können ungesättigte Polyesterharze, Vinyl- und Acrylverbindungen, Epoxid- und Polyurethanverbindungen und die Härter Peroxide der Harzkomponenten, Benzoylperoxid, Polyamine oder Polyisocyanate sein, chemisch sehr aktive Verbindungen, die erst durch die Vermischung und Abbindung zu Polymeren vernetzen und somit den Klebevorgang vollziehen. Diese bilden dann einen hochwirksamen Kleber, der hohen Belastungen standhält. Bei den Epoxidharzklebern sind Harz und Härter reizend bzw. ätzend. Polyurethanprodukte bestehen dagegen aus einer vergleichsweise ungefährliche Harzkomponente und einem Härter auf Basis von Diphenylmethandiisocyanat (MDI). MDI gehört zu den sensibilisierenden Stoffen; sensibilisierende Stoffe können je nach Veranlagung nach der Erstexposition unterschiedlich schnell Allergien auslösen. Außerdem sieht die MAK-Kommission einen Verdacht auf krebserzeugendes Potential.

Hautkontakt mit allen Zweikomponentenklebern sollte vermieden und der Umgang mit diesen Klebern auf ein Minimum reduziert werden. Die Anwendung von Reaktionsprodukten sollte auf notwendige Ausnahmefälle (feuchtigkeitsbelastete Bereiche) beschränkt werden.

2. Umwelt- und gesundheitsrelevante Inhaltsstoffe

2.1. Lösemittel

Die wichtigsten Inhaltsstoffe von gesundheitlicher Relevanz sind die in vielen physikalisch abbindenden Klebstoffen enthaltenen organischen Lösemittel. Auch Wasser ist ein Lösemittel, wird jedoch im gängigen Sprachgebrauch oft nicht als solches bezeichnet. Klebstoffe mit Wasser als Lösemittel brauchen länger, bis sie trocken sind und haften, als Klebstoffe mit organischen Lösemitteln.

Als Lösemittel werden benutzt:

Beim Klebevorgang verdunsten die Lösemittel, und der Klebstoff haftet. Klebstoffe mit organischen Lösemitteln sind schon am Etikett erkennbar. Da die gebräuchlichen organischen Lösemittel brennbar sind, müssen sie auf dem Behältnis das Gefahrensymbol für Feuergefährlichkeit - eine Flamme in einem orangefarbenen Viereck - aufgedruckt haben.

Die von den einzelnen Lösemitteln ausgehenden Gesundheitsgefährdungen sind relativ leicht identifizierbar. Die von Lösemittelgemischen ausgehenden Wirkungen können oft nicht beurteilt werden. Der Lösemittelanteil liegt bei den meisten lösemittelhaltigen Klebstoffen zwischen 30 und 60 Gewichtsprozent, bei einigen Spezialklebern bei mehr als 70 %. Insgesamt wurden in der Bundesrepublik Deutschland bis Ende der achtziger Jahre durch Klebstoffe jährlich etwa 65 000 Tonnen Lösemittel emittiert, die den Kohlenwasserstoffen zuzurechnen sind. Inzwischen sind auch Alleskleber ohne organische Lösemittel auf dem Markt (sind als "lösemittelfrei" gekennzeichnet und enthalten kein Gefahrensymbol).

Der Hauptaufnahmepfad sind die Atemwege. Lösemitteldämpfe von organischen Lösemitteln rufen gleichartige narkotische Wirkung hervor. Sie unterscheiden sich in ihrer Wirkungsstärke, die von der Konzentration in der Atemluft und der Aufenthaltsdauer abhängt. Die inhalativen Wirkungen reichen von leichter Benommenheit, Reizung der Augen- und Nasenschleimhäute, Kopfschmerz, Schläfrigkeit bei kurzzeitiger Exposition bis zu Gleichgewichtsstörungen und Verwirrtheit nach mehreren Stunden. Am bedenklichsten sind die aromatischen Kohlenwasserstoffe, von denen einige Vertreter karzinogen und mutagen wirken können. Aceton gilt als unbedenklich, kann jedoch nach längerer Einwirkung entzündliche Rötungen, die Dämpfe Kopfschmerzen, Müdigkeit, Bronchienreizung und bei sehr hoher Konzentration Bewußtlosigkeit hervorrufen. Die Dämpfe von Lösemitteln können süchtig machen.

Lösemittel können auch über die Haut aufgenommen werden. Dieser Eintragspfad ist jedoch gegenüber der inhalativen Aufnahme meist vernachlässigbar. Xylol und Toluol als fettlösliche Lösemittel können jedoch zur Entfettung der Haut beitragen und dadurch zu Rissen und Sprödigkeit der Haut führen.

Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werte) der einzelnen Lösemittel: 

Aceton

2.400 mg/m³

Methanol

260 mg/m³ (wirkt auch hautresorptiv)

Methylacetat

610 mg/m³

Toluol

190 mg/m³ (Fruchtschädigung ist nicht zu befürchten)

Xylol

440 mg/m³ (wirkt auch hautresorptiv)

  

Wenn mit lösemittelhaltigen Klebstoffen umgegangen werden muß, sollten folgende Ratschläge beachtet werden:

Zu den lösemittelarmen oder -freien Produkten gehören Papierkleber (Gummierungen), Klebestifte, Leime, Kleister und Kontaktklebstoffe auf wässriger Basis.

2.2. Harze

Die Harze sind die Grundlage des Klebstoffes und sind auch in Reaktionsklebstoffen (siehe 1.2.) enthalten. Nach Verdampfen der Lösemittel bilden die Harze - wie bei Lacken - einen geschlossenen Klebefilm. Zur Anwendung kommen:

Harnstoff-Formaldehydharze können Formaldehyd freisetzen und sind daher gesundheitlich nicht unbedenklich. In erster Linie kann Formaldehyd, in Innenräumen freigesetzt, zu Schleimhautreizungen führen. Es steht außerdem in Verdacht, Krebs zu erzeugen. Auf der Basis einer Empfehlung des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes - in Innenräumen 0,1 ppm Formaldehyd nicht zu überschreiten - wurde deshalb in der 1986 in Kraft getretenen Gefahrstoffverordnung festgelegt, dass "Holzwerkstoffe nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die durch den Holzwerkstoff verursachte Ausgleichskonzentration des Formaldehyds in der Raumluft eines Prüfraums 0,1 ml/m³ (ppm) überschreitet." Melamin- und Phenol-Formaldehydkleber setzen in sehr viel geringerem Ausmaß Formaldehyd frei. Bei der Herstellung von Epoxiden und Phenoxyden wird Epichlorhydrin als Ausgangsstoff verwendet, das beim Verkleben in die Raumluft gelangen kann. Epichlorhydrin kann Allergien auslösen und steht im Verdacht, Krebs auszulösen.

3. Klebstoffe im Baubereich

Vor allem im Bereich von Boden- und Wandbelägen werden große Mengen an Klebstoffen benötigt, die jeden anderen Anwendungsbereich mengenmäßig weit übersteigen. Deswegen ist es hier besonders wichtig, die Klebstoffe sorgfältig auszuwählen. Benötigt werden Klebstoffe beim Verlegen von keramischen Bodenbelägen, Parkett- und Holzfußböden, Teppichen, PVC- und Laminatböden und beim Anbringen von Tapeten und anderen Wandverkleidungen. Ist der Kleber auf die Boden- oder Wandfläche aufgebracht, variiert die Ablüftzeit bis zur Verlegung des Bodens oder Aufbringung des Wandbehanges in Abhängigkeit von den eingesetzten Klebstoffen und ihrem Lösemittelgehalt. Lösemittel mit hohem Dampfdruck verdampfen schneller als solche mit niedrigem oder Wasser.

Zum Einsatz können im Baubereich alle beschriebenen Arten von Klebstoffen kommen, also sowohl physikalisch abbindende als auch chemisch abbindende Kleber. Zu beachten ist besonders im Baubereich, dass die Lösemittel brennbar sind und - in den hier häufig großen Mengen ausgebracht - beim Verdampfen mit der Luft explosionsgefährliche Gemische bilden. Die ausdampfenden Lösemittel können bei mangelhafter Lüftung und gut geheizten Räumen den MAK-Wert übersteigen. Aus diesen Gründen ist auf ausreichende Lüftung zu achten.

Für Fußbodenbeläge gibt es als Alternative lösemittelfreie Dispersionsklebstoffe oder klebstoffbeschichtete Verlegeunterlagen in Form von Netzen, Fliesen und Klebebandmaterialien sowie Fixierungen und Schmelzkleber.

TRGS 610

Die beschriebenen Gesundheitsrisiken haben die Bau-Berufsgenossenschaften, den Industrieverband Klebstoffe e. V., den Bundesinnungsverband Parkettlegerhandwerk und Bodenlegergewerbe u. a. bewogen, die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 610) "Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Vorstriche und Bodenbelagsklebstoffe für den Bodenbereich" herauszugeben.

Die TRGS 610 beschreibt die Einsatzmöglichkeiten ungefährlicher Klebstoffe. Klimatische Gründe (z. B. zu hohe Luftfeuchtigkeit) oder ein dichter oder feuchtigkeitsempfindlicher Untergrund sind keine ausreichende Begründung für die Verwendung stark lösemittelhaltiger Klebstoffe. Sowohl das Raumklima als auch der Untergrund können durch geeignete Vorbereitungen optimal für den Einsatz lösemittelarmer oder -freier Produkte verändert werden (Lüften und Heizen, Spachteln des Unterbodens in ausreichender Dicke). Stark lösemittelhaltige Bodenbelagsklebstoffe können noch erforderlich sein bei

In der TRGS 610 wird empfohlen, stark lösemittelhaltige Klebstoffe nur noch im gewerblichen Bereich, und dort auch nur in den genannten Ausnahmefällen und mit den entsprechenden technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen einzusetzen. Es sollten dann zumindest toluolfreie (besser noch aromatenfreie) Produkte verwendet werden.


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