Aber warum kleben eigentlich Klebstoffe, bzw.
worauf beruht Adhäsion? Nun, man weiß es nicht genau.
Auf Grund der vielen verschiedenen physikalischen und chemischen Kräfte, die in Klebungen
wirken, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien. Folglich kann aber auch keine Theorie
alle Aspekte umfassen, zumal die verschiedenen Ursachen der Adhäsion gegenseitig aufeinander
Einfluß nehmen. Hinzu kommt, daß allen Theorien idealisierte Voraussetzungen zugrunde
liegen. Andererseits liefern die Theorien zusammengefaßt durchaus Anhaltspunkte, welche
Voraussetzungen überhaupt gegeben sein müssen, damit es zur Ausbildung von Adhäsion
kommt, welche Kräfte dabei mitwirken und in welchen Größenbereichen sie auftreten.
Man unterscheidet drei Arten der Adhäsion: die spezifische Adhäsion, die mechanische
Adhäsion und die Auto(ad)häsion.
2.1 Spezifische Adhäsion
Die spezifische Adhäsion beruht auf Haupt-
(also homöo-, hetero-, und halbpolare sowie metallische Bindungen) und Nebenvalenzbindungen
(d.h. elektrostatische und Dipol-Wechselwirkungen ferner Dispersionskräfte). Der Wirkungsbereich
dieser Bindungskräfte liegt bei ca. 0,2-1,0 nm.
Erscheinungen, die an den Grenzflächen heterogener Systeme auftreten, werden durch die
Adsorptionstheorie beschrieben, chemische Wechselwirkungen werden mit der Chemisorptionstheorie
erklärt.
Ein Ansatz der Adsorptionstheorie geht vom Beispiel der Metallklebungen aus, an dem man sehen
kann, daß u.a. zwischenmolekulare Kräfte der Adhäsion zugrunde liegen.
Die zwischenmolekularen Kräfte sind unterteilt in die van-der-Waals-Kräfte (Orientierungskräfte,
Induktionskräfte und Dispersionskräfte) und die Wasserstoffbrückenbindungen.
Die Bedeutung der Polarität im Zusammenhang mit der Adhäsion konnte u.a. experimentell
nachgewiesen werden, indem man durch den Einbau zusätzlicher polarer Gruppen (wie z.B.
-OH oder -COOH) in die Klebstoffmoleküle eine größere Adhäsion erzielte.
Andererseits hat sich es gezeigt, daß in diesem Fall sowohl die Fügeteile als auch
der Klebstoff im Grenzschichtbereich keine chemische Veränderungen erfahren, noch daß
sich neue Verbindungen bilden. Heteropolaren Bindungen konnten nicht entstanden sein, da der
stattfindende Energieumsatz zu gering war, um ein Ionengitter aus dem Metall und den Makromolekülen
des Klebstoffs zu bilden. Homöopolare Bindungen wiederum konnten sich auf Grund der vorliegenden
Elektronenkonfigurationen nicht ausbilden.
Die Adsorpion kann man auch mit der Thermodynamik erklären. Gemäß diesem Ansatz
kommt die Adhäsion durch den Unterschied der Oberflächenenergien des Klebstoffes
und des Fügeteils zustande. Dabei muß die spezifische Oberflächenenergie des
Klebstoffes geringer als die des Fügeteils sein. Folglich sind Materialien um so leichter
zu kleben, je höher ihre Oberflächenenergie ist. Materialien mit einer hohen Oberflächenenergie
sind Metall, Holz und Papier. Andererseits ist es schwierig, Materialien zu kleben, die eine
sehr geringe Oberflächenenergie haben, wie z.B. Polytetrafluorethylen. Dabei ist zu beobachten,
daß die Anziehungskräfte zweier Materialien nicht wechselseitig austauschbar sind.
So ist es bspw. sehr schwer, Polyethylen mit einem flüssigen Epoxidharz zu kleben, wohingegen
die Klebwirkung von flüssigem Polyethylen bei festen Epoxidharzen sehr groß ist.
Die Praxis hat jedoch gezeigt, daß auch diese Theorie nicht frei von Widersprüchen
ist.Ein Schwachpunkt bei diesem Erklärungsansatz ist, daß man mit ihm keine festen
Zahlenwerte für die Stärke einer Klebung errechnen kann.
Das große Problem bei diesem Ansatzes liegt
in der Tatsache, daß die für thermodynamische Berechnungen erforderlichen Grundvoraussetzungen
nicht gegeben sind, da zum einen der Abbindevorgang wegen der Chemisorption nicht reversibel
ist, und zum anderen auf Grund der Diffusion keine klaren Phasengrenzen vorliegen.Neben den
Adsorptionskräften wirken bei bestimmten Fügeteilen und Klebstoffen auch chemische
Bindungen. Man spricht hier von der Chemisorption. Sie kann experimentell durch die hohen Bindungsenergien
nachgewiesen werden, sowie dadurch, daß die an der Klebung beteiligten Stoffe nicht völlig
desorbierbar sind. Die hohen Festigkeistwerte der Grenzschicht lassen sich auch nur durch solche
Bindungen erklären.
Die Theorie der mechanischen Adhäsion ist
zweifellos die älteste. Sie wird hauptsächlich in Verbindung mit Holz und ähnlich
rauhen Materialien verwendet. Man versteht unter mechanischer Adhäsion eine Art Verklammerung
des gehärteten Klebstoffes mit der Oberfläche, in deren Poren oder Kapillaren der
flüssige Klebstoff eingedrungen ist. Folglich ist nach dieser Theorie die Klebfestigkeit
durch die Hinterschneidungen der Fügeteiloberfläche bestimmt. Beim Anwenden dieser
Theorie muß man allerdings unterscheiden zwischen einer echten mechanischen Verklammerung
und einer Vergrößerung der Oberfläche des Fügeteils auf Grund von Unebenheiten.
Diese Unebenheiten führen nicht zu einer mechanischen Adhäsion sondern einer größeren
Fläche zum Ausbilden von Kräften, auf denen die spezifische Adhäsion und die
Autoadhäsion beruhen. Dabei ist der Übergang von der mechanischen Adhäsion zur
Autoadhäsion fließend, da auch dann von einer mechanischen Verklammerung gesprochen
werden kann, wenn es zu einem Diffusionsprozeß und somit zu einer Molekülverklammerung
zwischen dem Klebstoff und der Fügeteiloberfläche kommt.
So ist es unbestritten, daß diese Art der Adhäsion existiert, wenn auch ihr Anteil
an der Gesamtadhäsion gering ist.
Polymere sind auf Grund der Autoadhäsion
oft klebrig. Diese kann mit Hilfe der Diffusionstheorie erklärt werden. Nach dem ersten
Fickschen Gesetz (auch wenn dieses Gesetz nur für hochverdünnte Lösungen gilt,
was bei Klebstoffen eigentlich nicht der Fall ist) fördern eine längere Kontaktzeit
und eine höhere Temperatur den Diffusionsvorgang, wohingegen ein größerer Teilchenradius
sich negativ auswirkt. Genau dieses Verhalten konnte in der Praxis bei Diffusionsklebungen
beobachtet werden, wobei der größere Teilchenradius im Zusammenhang mit Klebstoffen
bedeutet, daß die Seitenketten größer und die Polymere höher verzweigt
sind. Kurz gesagt: Je kleiner die Polymerketten, desto höher die Klebrigkeit.
Nach dieser Theorie wird die Stärke der Adhäsion durch die Anzahl der in beide Richtungen
diffundierenden Moleküle und deren Eindringtiefe festgelegt. Erreicht die Eindringtiefe
einen bestimmten Wert, werden die zwischenmolekularen Kräfte so groß, daß
die Klebstoffmoleküle nicht mehr aus dem Fügeteil herausgezogen werden können.
Folglich wäre dann die Haftkraft gleich der Kohäsion des Klebstoffes oder Fügeteils.
Im Idealfall verschwindet die Grenzfläche völlig.
Die Voraussetzung für einen Diffusionsprozess, d.h. brownsche Bewegungen im submolekularen
Bereich, wird dabei durch die Kettenstruktur der Polymere erfüllt. Die Klebstoffmoleküle
spielen wegen ihrer Beweglichkeit die entscheidende Rolle im Diffusionsvorgang. Ist der Klebstoff
jedoch in Lösung, und ist das Material des Fügeteil ebenfalls darin löslich,
diffundieren auch Moleküle des Fügeteils in die Klebschicht.
Diese Theorie ist z.B. auf Kunststoffklebungen anwendbar, bei Metallklebungen hingegen ist
sie völlig sinnlos, da hier keine Molekülbewegungen stattfinden können.
Neben diesen Theorien werden noch verschiedene
Spezialfälle in der Literatur behandelt.
EINFLUß DER SEITENGRUPPEN AUF DIE SCHÄLFESTIGKEIT
Seitengruppen haben z.B. einen großen Einfluß auf die Adhäsion. Die Haftfestigkeit
steigt mit zunehmender Größe der Seitengruppen, da große Seitengruppen die
Polymerstruktur auflockern, so daß einige Molekülbereiche beweglicher
werden, und sich somit polare Klebstoffgruppen zur Oberfläche hin ausrichten können.
Allerdings beeinflussen zu große Seitengruppen die Kohäsion negativ, da u.a. die
Löslichkeit zunimmt und der Schmelzpunkt sinkt.
Weitere Faktoren sind die Oberflächenbeschaffenheit
des Fügeteils, die Art der Belastung und Fehler in der Klebschicht, wie z.B. Lufteinschlüsse.
Im Zusammenhang mit der Oberflächenbeschaffenheit des Fügeteils ist auch die Viskosität
des Klebstoffes von Interesse. Je geringer sie ist, desto gleichmäßiger kann das
Fügeteil benetzt werden.
In enger Beziehung mit der Viskosität steht die Oberflächenspannung des Klebstoffes.
Sie sollte möglichst gering sein, so daß selbst kleine Unregelmäßigkeiten
in der Oberfläche vom Klebstoff ausgefüllt werden. So ist einerseits die wirksame
Oberfläche und infolgedessen die Adhäsion größer und andererseits werden
Schwachstellen in der Klebung vermieden.Daß trotz allem nie die ganze Oberfläche
mit Klebstoff benetzt wird, zeigt die Erfahrung, daß Klebungen, die unter Druck durchgeführt
werden, stets zu besseren Ergebnissen führen, gleich wie hoch der Druck war. Die Benetzung
konnte also immer noch verbessert werden.Auch der Oberflächenzustand ist von Bedeutung.
Ein häufiges Problem ist, daß die Fügeteiloberfläche durch Oxidationsvorgänge
verändert und so die Oberflächenaktivität des Fügeteils verringert wird.Desweiteren
müssen bestimmte Materialien wie z.B. inerte Kunststoffe vor der Verklebung behandelt
werden. Durch Techniken wie Abflammen oder Ätzen entstehen reaktive Zentren oder polare
Gruppen, die eine Chemisorption erst ermöglichen. Eine bedeutende Rolle spielen dabei
auch Haftvermittler. Es gibt also eine Vielzahl von Einflüssen auf die Adhäsion,
die alle zusammen schwer faßbar sind.