Der Schmerz kennt viele Gesichter



Den Schmerz gibt es schon seit es Menschen gibt. Selbst das „auf die Welt kommen" ist mit erheblichen Schmerzen verbunden. Jedes Lebewesen kennt Schmerz, sei es nun Tier, Mensch oder etwas Anderes. Aber der Mensch hat schon von jeher ein Mittel dagegen gesucht. Selbst in der Steinzeit kannten die Menschen schon Kräuter, die Schmerzen lindern konnten, aber die ersten Schmerzmittel kamen sehr spät auf den Markt. Das erste Schmerzmittel wurde um 1880 entdeckt. Es war die Zeit, als sich die pharmazeutische Industrie in Deutschland zu etablieren begann. Als erstes Ziel standen Antifieber- und Schmerzmittel auf dem Programm. Ludwig Knorr war der Entdecker des Antipyris, des ersten brauchbaren Schmerzmittels der Welt. Knorr war zu der Zeit Chemiker in den Farbwerken Hoechst in Deutschland. Endlich stand man Epidemien nicht mehr ganz so ohnmächtig gegenüber. Antipyrin hatte aber noch einen relativ schwachen Wirkungsgrad. Prof. Filehne, auch ein Mitarbeiter des Hoechst-Konzerns, synthetisierte aus Antipyrin das dreimal so wirksame Pyramidon, aber die Konkurrenz schlief auch nicht. Die Fabrik Bayer in Eberfeld begann auf den Gebiet der Analgetika ebenfalls Fuß zu fassen. 1888 synthetisierte man die Acetylsalicylsäure, das heutige Aspirin. Dieses Medikament gehört noch heute zum eisernen Gebrauch der Therapie.

Ende 1921 gelang es Hoechst, mit dem Novalgin das erste lösliche Schmerzmittel zu entwickeln. Man hatte bisher Schmerzmittel nur in Form von Tabletten und Zäpfchen verabreichen können. Dies war eine weitere Entwicklung in der Geschichte der Medizin, was jedoch immer noch unerreicht blieb, war ein Schmerzmittel mit der Wirksamkeit von Morphium zu synthetisieren. Es gab auch kein Mittel, das der Wirkung des Morphiums auch nur im Entferntesten nahekam. Doch 1932 gelang es dem Chemiker Eisleb ein Medikament zu synthetisieren, das unter dem Namen Dolantin später bekannt wurde. Zuerst hielt man es für ein spasmolytisches, also krampflösendes Mittel, doch später entdeckte man auch die enorm hohe schmerzstillende Wirkung. Sie kam der von Morphium gleich. Die besonderen Anwendungsbereiche dieses Medikaments waren Koliken, Angina pectoris und der grüne Star. Zur gleichen Zeit entwickelte Gustav Ehrhard das Methadon, das heutige Polamidon ,ein Mittel, das die Wirkung von Morphium sogar noch übertraf. Die Medizin befand sich auf dem Siegeszug gegen den Schmerz. Polatin wird heute zur Therapie von Heroinsüchtigen genommen. Als der Krieg begann, hatten die Firmen, die Analgetika herstellten Hochkonjunktur. Hoechst zum Beispiel produzierte über 650 t Antipyrin und Pyramidon. Im gleichen Jahr wurden 1600 kg Dolantin erzeugt. Diese eigentlich patentgeschützten Arzneimittel kamen mit den zahlreichen Soldaten nach Übersee, z.B. in die USA. Da die IG- Patente ohnehin von den Alliierten enteignet worden waren, konnte nun jede interessierte Firma für nur einen Dollar das Herstellungsrecht erwerben. Unter unzähligen Handelsnamen, wie z.B. Hepanon, Miadon, Butalgin, Dolophin, Amidon oder auch Adanon wurde es auf den internationalen Markt gebracht. Die Namen der wahren Entdecker wurden verschwiegen.



Ein weiterer wichtiger Schritt in der Geschichte der Analgetika war es, als es endlich gelang, die Schmerzmittel auch in der Operation anzuwenden. Die Operation ist eine extreme Schmerzsituation, die nur in einem Zustand zwischen „Leben und Tod" bewältigt werden kann. Wesentliche Teile der Wachfunktion werden außer Kraft gesetzt. Die ersten Betäubungsmittel (Narkotika) waren das Lachgas, das Äther und das Chloroform. Doch diese Mittel waren schwer zu dosieren und nicht selten wachten die Patienten aus der Narkose nicht mehr auf oder was noch schlimmer war, sie wurden zu früh wach. 1920 hielten die intravenösen Barbiturate Einzug in den OP. Dadurch konnte der Patient sicherer in Schlaf versetzt werden. Durch eine weitere Abwandlung der Barbiturate entstanden Mittel, die die „Kurzzeit-Narkose" ermöglichten, d.h. man konnte Patienten, wenn es sein musste, nur für zwanzig bis dreißig Minuten betäuben und man musste keine ewig langen Vorbereitungen mehr treffen, was vor allem in der Unfallchirurgie von großem Vorteil war. Curare war ein weiterer Fortschritt in der Narkosetechnik. Schon der Königsberger Mediziner Josef Keil hatte sich in den dreißiger Jahren mit diesem Pfeilgift indianischer Stämme intensiv beschäftigt. Die Schwierigkeit lag allerdings darin, dass die einzelnen Wirksubstanzen in diesem Naturprodukt durchaus nicht immer in gleichen Mengenverhältnissen vorkamen. Erst dem Engländer H. J. King gelang die Reindarstellung, und der Franzose Daniel Bovet konnte erstmals eine Curare ähnliche Substanz synthetisieren. Die besonderen Eigenschaften von Curare bestand darin, dass es eine muskelrelaxierende Wirkung hat. Es hebt die Abwehrhaltung des Körpers auf.

Schließlich verwendete man Curare zusammen mit dem sogenannten Cocktail lytique - der lösende Cocktail. Er sorgte für eine allgemeine Dämpfung des Kranken, was wiederum die Narkose ersetzt. Diese Mittel verwendete man vor allem bei älteren Menschen, da man hier die Gefahren einer Narkose nicht eingehen will.

Schließlich entdeckte 1905 Alfred Einhorn, ein Mitarbeiter von Hoechst, das Novocain für lokale Betäubungen. Noch heute gehört es zu den Standardpräparaten in der Chirurgie.


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Barbiturate sind die Salze der Barbitursäure. Die Barbitursäure besteht aus Malonylharnstoff, eine schwer lösliche Grundsubstanz vieler Schlafmittel, die durch Substitution der H-Atome an C5 durch Alkyl- und Arylresten, Substitution der H-Atome der NH-Gruppen durch Substitution des O an C2 durch Schwefel entsteht.