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Durchführung des Projekts "Chemie im alten Ägypten"
Ausgangslage:
Das Projekt "Chemie im alten Ägypten" wurde in einer fünften Klasse des Romain-Rolland-
Gymnasiums Berlin-Reinickendorf im Rahmen des Anfangsunterrichts Geschichte
durchgeführt. In der Klasse lernen zwanzig Mädchen und zwölf Jungen, die noch über keine
naturwissenschaftlichen Kenntnisse verfügen. Das Fach Naturwissenschaften wird in Berlin
erst zum kommenden Schuljahr für die fünften Klassen eingeführt.
Fächerübergreifender Unterricht, Vernetzung von Informationen, Handlungsorientierung und
selbsttätiges Lernen sind längst nicht mehr nur Schlagwörter einer "neuen Lernkultur",
sondern werden zunehmend von Lehrern und Lehrerinnen im Alltag praktiziert. Allerdings
finden diese Prinzipien aufgrund des nach wie vor existierenden Fächerkanons und der
fachwissenschaftlichen Ausbildung der Lehrer vor allem Eingang in artverwandten Fächern,
wie einerseits etwa Deutsch/Geschichte/Kunst oder andererseits Physik/Chemie/Biologie.
Insofern stellt das vorgestellte fächerübergreifende Projekt, das durch Kontakt der
Geschichtslehrerin mit einer Chemiedidaktikerin ermöglicht wurde, ein Novum dar.
Unterstützt wurde das Projekt auch von der Kunstlehrerin und einer weiteren Chemielehrerin.
Die Vermittlung von geschichtlichen Kenntnissen über eine frühe Hochkultur, eine
Einführung in naturwissenschaftliche Arbeitsmethoden, das Kennenlernen einfacher
chemischer Sachverhalte im historischen und aktuellen Kontext und die Förderung der
Eigentätigkeit der Schüler und Schülerinnen sind die Leitgedanken des Projektes gewesen.
Überblick über die Einheit:
Nach der Erarbeitung der geografischen und historischen Aspekte wurde für die
experimentelle Erschließung des Themas ein kompletter Projekttag organisiert.
Dieser begann mit einer kurzen Einführung in das Thema, in welcher in einem Gespräch mit
den Schülern geklärt wurde, was "Chemie" überhaupt ist und was sich die Schüler darunter
vorstellen. Der Bogen zum alten Ägypten wurde über die Nützlichkeit chemischer Kenntnisse
hergestellt (z.B. Kenntnisse über die Heilwirkungen bestimmter Pflanzen, Bier- und
Weinherstellung etc.) geschlagen.
Danach fand sich die Klasse in drei Groß-Gruppen zusammen, welche jeweils einen
Themenkomplex an einer "Stationsinsel" bearbeiteten. Am Schluss jeder Sequenz gab es
jeweils eine kleine Pause, um die Gruppen zeitlich zu synchronisieren und dann wurde die
Station gewechselt, so dass jeder Schüler jeden Themenkomplex behandelt hat.
1. Station: Farben im alten Ägypten
Ziele der Einheit: Die Schüler sollen...
- die Farben und ihren Wert in der damaligen Zeit erkennen.
- Beispiele zur Farbgewinnung aus der Natur finden.
- das Mörsern kennen lernen und praktisch anwenden.
- eine kritische Betrachtung ihres Produktes durchführen.
- selbst hergestellte Pigmente verwenden.
- die Funktion eines Bindemittels kennen lernen und Gummi Arabicum als ein Bindemittel erkennen.
- erfahren, wie aufwändig es war Farben herzustellen.
Die Einleitung an dieser Station begann über die Fragestellung wozu man Farbe eigentlich
braucht und warum man sie besitzen wollte. Außerdem wurde anhand eines Posters mit
Bildern zum Thema Farben mit den Schülern überlegt, woraus man Farben damals gewinnen
konnte. Die Schüler fanden viele Beispiele aus der Natur wie z.B. Pflanzen- und Tiersäfte.
Näher betrachtet wurden Erden und Mineralien. Als erstes Experiment sollten die Schüler aus
Lapislazuli- und Malachitstücken ein feines Pulver und damit Pigmente herzustellen. Dieses
Zerkleinern fand unter der Verwendung eines Mörsers statt. Sobald die Schüler das feine
Pulver hergestellt haben, beobachteten sie, dass die Farbpulver noch weiter gesäubert werden
müssten, weil weißliche Verunreinigungen deutlich zu erkennen waren. Durch das
anstrengende Mörsern wurde den Schülern schnell bewusst, dass dies ein aufwändiges
Herstellungsverfahren beinhaltet und die Farben deshalb damals auch (und teilweise auch
noch heute) teuer waren.
Anschließend malten die Schüler mit ihrem Pigment und der Hilfe von Wasser auf ihr
Arbeitsblatt und stellten nach dem Trocknen fest, dass die Farbe nicht gut haften bleibt. So
wurde überlegt, womit man die Haftfähigkeit erhöhen könnte und die Funktion und Wirkung
eines Bindemittels besprochen.
Um einen Vergleich der Haftbarkeit zu machen, haben die Schüler nun mit Gummi Arabicum
experimentiert. Durch den vergleich auf ihrem Arbeitsbogen konnten sie sich so die
Wirkungsweise eines Bindemittels verdeutlichen und anschließend protokollieren.
Den Abschluss bildete das Verwenden der eigenen oder gekauften Pigmente, indem
ägyptische Glücksbringer und Motive bemalt wurden. Hierzu wurden von uns extra mit
Modelliermasse Scarabäen vorbereitet, die die Schüler dann mit nach Hause nehmen durften.
Außerdem erstellten die Schüler gemeinsam einen Sternenhimmel für ihre
Klasseneingangstür.
2. Station: Kosmetik im alten Ägypten
Ziele der Einheit: Die Schüler sollen...
- die Rolle der Kosmetik im alten Ägypten erkennen.
- Veränderungen im Vergleich zu der Gegenwart verbalisieren (z.B. Männer schminken sich nicht mehr).
- Vor- und Nachteile der Kosmetika aufzählen.
- einen Bestandteil von damaligen Salben kennen lernen und einen Bezug zu heutigen Produkten erstellen.
- genaues Abwiegen schulen.
- das genaue Abmessen einer Flüssigkeit mit Hilfe eines Messzylinders durchführen.
- den Umgang mit dem Thermometer kennen lernen.
- das Verfahren der Extraktion anwenden.
- ein Herstellungsverfahren von Salben kennen lernen und dieses anwenden.
- die Wichtigkeit des Beschriftens von Produkten erkennen.
- erkennen, dass das Protokollieren wissenschaftlicher Arbeiten notwendig ist und Bestandteil des Experimentierens ist.
In diesem Teil befassten sich die Gruppen mit der Frage, welche Kosmetik es im alten
Ägypten gab, welche chemischen Kenntnisse die alten Ägypter in diesem Zusammenhang
besaßen und welche Art der Kosmetik sie bevorzugten. Auch die aus chemischer Sicht
negativen Aspekte der Kosmetik dieser Zeit wurde den Schülern nahe gebracht,
(Schwermetallproblematik).
Exemplarisch sollten Arnika- und Ringelblumensalbe hergestellt werden. Zur Herstellung von
Salböl lernten die Schüler als erstes das chemische Verfahren der Extraktion kennen und
stellten aus Sonneblumenöl und getrockneten Blütenblättern Ringelblumenöl selber her.
Dieser Prozess dauerte 2 Wochen und wurde dementsprechend später durch Filtrieren
beendet.
Der nächste Schritt, die Herstellung einer Salbe wurde mit Hilfe vorher hergestelltem
Extrakten durchgeführt. Dieses Experiment umfasst ein umfangreiches Anwenden von
chemische Arbeitstechniken. Als erstes lernen die Schüler mit geeichten Waagen das genaue
Abwiegen, anschließend das exakte Abfüllen des Ringelblumenöls mit dem Messzylinder und
das Erhitzen, wobei die Temperatur mit dem Thermometer gemessen wurde. Das Experiment
beinhaltete das Beobachten der Wechsel der Aggregatzustände der verwendeten Stoffe und
die Verbalisierung dessen. Nach Abschluss des Experimentes wurde auf eine ausführliche
Protokollierung und auf eine Beschriftung des Produktes als wichtige Bestandteile des
Experimentierens geachtet. Die fertigen Produkte, Ringelblumen- und Arnikasalbe konnten
stolz von den Schülern in Filmdosen nach Hause transportiert werden.
3. Station: Mumifizierungen im alten Ägypten
Ziele der Einheit: Die Schüler sollen...
- den Begriff des Salzes kennen lernen.
- die Wirkungsweise von Salzen beim Prozess der Mumifizierung kennen lernen.
- verschiedene Salze kennen lernen.
- chemische Sachverhalte verbalisieren.
- Salze aus dem Alltag betrachten und mit diesen selber die Prozedur des Mumifizierens mit Hilfe eines Modellversuches nachahmen.
- den Unterschied zwischen mumifiziertem und nicht mumifiziertem Material erkennen.
- die zeitliche Organisation eines Experimentes erleben.
- Freude am Experimentieren und Beobachten
Der Einstieg in diesen dritten Teil erwies sich als chemisch sehr anspruchsvoll, da den
Schülern der Begriff des Salzes nur in Form des Kochsalzes bekannt ist und so eine kleine
Einführung über das Vorkommen anderer Salze stattfinden musste. Mit dieser Grundlage
konnte man die Schritte der Mumifizierung aus chemischer Sicht beginnen und den Schülern
wurde erklärt, dass Salze in der Pulvermischung zum Mumifizieren aus dem Grund enthalten
waren, dass diese der Mumie das Wasser entziehen, indem sie sich verändern. Diese
Veränderung wurde anhand eines Modellversuches mit dem Salz Cobaltchlorid durchgeführt,
weil bei diesem die Wassereinlagerung durch einen Farbwechsel besser zu beobachten ist. Als
nächstes wurde untersucht, woher die alten Ägypter das benötigte Salz überhaupt bekamen.
Anhand eines Modellversuches wurde hier die Löslichkeit von Kochsalz in Wasser ausgenutzt
und von den Schülern beobachtet. Dieses löst sich im Gegensatz zu Sand im Wasser
(modellhaft herauslösen aus Gestein). Anschließend kristallisierte das Salz beim Erhitzen
wieder aus, genau wie man es in den echten Wadis finden kann. Hierbei konnten die Schüler
beobachten, dass das gelöste Salz keinesfalls verschwunden ist, sondern noch vorhanden war.
Zum Abschluss des Themas mumifizierten die Schüler eigenständig einen Apfel. Zum einen
mit Backpulver, dass sie aus dem Alltag kennen, zu anderen mit einem Natron-Gemisch.
Diese Mumifizierungen beinhalteten auch einen Vergleich mit einer mumifizierten
Apfelscheibe und einer an der Luft liegen gebliebenen Apfelscheibe. So wurde den Schülern
die Rolle der Flüssigkeit und der damit verbundenen Gefahr des Verschimmelns verdeutlicht.
In dieser Station wurde neben den inhaltlichen Aspekten und den experimentellen Aufgaben
auf ein gutes Organisieren der durchzuführenden Experimente geachtet, da der experimentelle
Teil hier deutlich aufwändiger war als bei den anderen beiden Stationen.
Fazit
Alle Schüler und Schülerinnen waren von dem Projekt begeistert. Insbesondere die
Herstellung von Salben, die mit nach Hause genommen werden durften, fand großen
Anklang. Vielleicht ist dies auch ein Hinweis darauf, dass in der Schule häufiger "greifbare"
Ergebnisse hergestellt werden sollten.
Für das nächste Mal wünschte sich die Klasse lediglich noch mehr Zeit, ein Wunsch, dem
nach Möglichkeit Rechnung getragen werden sollte, da der Zeitplan für einen Projekttag sehr
eng war und der Experimentierfreude der Kinder deshalb manchmal unnötige Grenzen gesetzt
werden mussten. Der hohe Zeitaufwand ist sicher auch damit zu erklären, dass die Lerngruppe
über keine naturwissenschaftlichen Arbeitstechniken verfügte und so ausführliche
Anleitungen am Beginn des Experimentierens notwendig waren. Auffällig war auch, dass
viele Kinder bereits viel Zeit für Alltagstätigkeiten wie Abwiegen benötigten - das häusliche
Kuchenbacken scheint nicht mehr allzu verbreitet zu sein.
Aus Lehrerinnensicht bleiben zwei Dinge hinzuzufügen:
Beim Besuch des Ägyptischen Museums beeindruckte die Klasse die Museumsführerin mit
ihrem Wissen über ägyptische Farbherstellung und den Prozess der Mumifizierung. Eine
ähnliche Beobachtung konnte ich bei dem abschließenden Test machen: Die Fragen, die sich
auf die Mumifizierung bezogen, wurden am ausführlichsten und "wissenschaftlichsten"
erklärt.
Zum anderen war dies für mich als einer durchaus nicht projektunerfahrenen Lehrerin eine
völlig neue Erfahrung - "gemeinsam lernen" bedeutete hier nicht nur die klassische
Lehrerinnenrolle aufzugeben, sondern auch ein Stück weit gemeinsam mit den Kindern die
fachliche Seite, also chemische Zusammenhänge und naturwissenschaftliche
Arbeitsmethoden zu lernen und dabei zu entdecken, dass Chemie Spaß machen kann.
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